Die Wirte geizen beim Fleisch-Einkauf
Immer mehr Konsumenten wünschen Fleisch aus tierfreundlicher Produktion. Doch viele Restaurants setzen den Gästen Fleisch vor, das nur das tierschutzgesetzliche Minimum erfüllt.
Inhalt
saldo 03/2011
13.02.2011
Letzte Aktualisierung:
15.02.2011
Thomas Lattmann
Das Seehotel Schiff im thurgauischen Mannenbach ist wunderschön am Bodensee gelegen. Die Gerichte auf der Speisekarte machen Appetit. Weniger appetitlich ist, was zur Herkunft des Fleisches zu lesen ist:
«Ente, Poulet: Frankreich. Kann mit Hormonen als Leistungsförderer erzeugt worden sein. Und/oder mit Antibiotika und/oder anderen antimikrobiellen Leistungsförderern erzeugt worden sein.» Immerhin: Hier wissen die Gäste, was sie auf dem Teller erwar...
Das Seehotel Schiff im thurgauischen Mannenbach ist wunderschön am Bodensee gelegen. Die Gerichte auf der Speisekarte machen Appetit. Weniger appetitlich ist, was zur Herkunft des Fleisches zu lesen ist:
«Ente, Poulet: Frankreich. Kann mit Hormonen als Leistungsförderer erzeugt worden sein. Und/oder mit Antibiotika und/oder anderen antimikrobiellen Leistungsförderern erzeugt worden sein.» Immerhin: Hier wissen die Gäste, was sie auf dem Teller erwartet.
Nur minimale Angaben auf den Speisekarten
Den meisten Speisekarten in den Restaurants ist höchstens zu entnehmen, ob das Fleisch aus der Schweiz oder aus dem Ausland stammt – kein Wort zu den Produktionsbedingungen.
Die Post in Neftenbach ZH zum Beispiel tischt Poulet aus Ungarn, China und der Schweiz auf, das asiatische Esslokal Mishio in Zürich-Stadelhofen bezieht Geflügel aus Brasilien und Deutschland, Lamm aus Neuseeland.
Die Gastrokette Bindella mit Lokalen wie Santa Lucia und Spaghetti Factory setzt bei Poulet zu 90 Prozent auf Frankreich. Das Rindfleisch stammt zu 60 Prozent aus der Schweiz, der Rest aus Ländern wie Australien, Brasilien und den USA. Nur Kalb- und Schweinefleisch kommen aus der Schweiz.
Wer auf der Karte Label-Fleisch sucht, das bei der Tierhaltung über die Mindestanforderungen des Tierschutzgesetzes hinausgeht, wird nicht fündig. Hansuli Huber, Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes, kennt die Hintergründe:
Der Grossteil der über 20 000 Restaurants, Kantinen oder Schnellimbisse in der Schweiz verarbeitet kaum Fleisch aus tierfreundlicher Haltung. Und das, obwohl im Gastrokanal rund die Hälfte des in der Schweiz konsumierten Fleisches abgesetzt wird.
Dabei wäre die Preisdifferenz zwischen tierfreundlich und konventionell produziertem Schweizer Fleisch gering: Laut Branchenkennern kostet Rindfleisch Bio Suisse Knospe für Wirte nur 4,6 Prozent mehr, edles Swissprim Gourmet gut 7 Prozent zusätzlich.
Das würde pro Portion kaum einen halben Franken mehr ausmachen – ein Preis, den viele Restaurantgäste wohl gerne ausgeben würden. Das beweist das Verhalten der Konsumenten, wenn sie für sich einkaufen: Sie achten stark darauf, dass das Fleisch aus tierfreundlicher Produktion stammt.
Das bestätigen die auf Umsatzzahlen basierenden Angaben von Coop und Migros: Bei Coop liegt der Anteil von Schweizer Fleisch, das aus Produktion über dem tierschutzgesetzlichen Minimum stammt, zwischen 14 (Kalb) und 100 Prozent (Poulet). Bei der Migros bewegt sich der Label-Anteil zwischen 76 (Schwein) und 95 Prozent (Kalb).
Für Gastrosuisse genügen die jetzigen Tierschutzvorschriften
Aber warum geizen die Wirte beim Fleisch-Einkauf? Laut Bernhard Kuster, Direktor des Branchenverbandes Gastrosuisse, ist konventionell produziertes Schweizer Fleisch keineswegs minderwertig und genügt den Schweizer Tierschutzvorschriften.
«Es besteht daher kein Anlass, die Tierhaltung auf freiwilliger Basis noch weiter zu verschärfen.» Daniel Kneuss, Geschäftsführer von Kneuss Güggeli, wäre durchaus in der Lage, mehr Label-Poulet zu produzieren. Die Gastronomen müssten aber bereit sein, mehr zu bezahlen.